Digitalcourage, Campact und Co. outen sich als willige Systemwerkzeuge

18. 09. 2025 | Ist Digitalcourage Anwalt für Bürgerrechte und Demokratie oder Trojanisches Pferd der Mächtigen? Lange schwankte ich in meinem Urteil. Mit einem Aufruf zur Rettung des Digital Services Act der EU zeigt die Führung der Organisation ihre wahren Farben. Mir ihr offenbart eine ganze Reihe von Mitunterzeichnern ein fragwürdiges Demokratieverständnis und eine mindestens zwiespältige Rolle.

In einem E-Mail-Newsletter vom 17.9. fordert Digitalcourage:

“ „Freiheit für Fakten“ – Jetzt den DSA verteidigen

Twitter, Instagram, Youtube und TikTok hetzen uns gegeneinander auf und machen damit Profit. Beiträge mit Hass und Hetze verbreiten sich schneller – und genau die fördern Musk, Zuckerberg und Co., während Fakten untergehen. Die Algorithmen dahinter sind unbekannt, verzerren aber auch hier in Europa die Öffentlichkeit und zerstören so unsere demokratischen Gesellschaften.

Der Digital Service Act (DSA) der Europäischen Union verpflichtet die großen Plattformen dazu, ihre Algorithmen offenzulegen. Außerdem gibt er der Kommission die Macht, gegen die Algorithmen vorzugehen, die zur Verbreitung von Falschinformationen beitragen. Ein wichtiger Schritt, um unsere Demokratie internetfest zu machen. Genau deshalb ist er den US-Tech-Bro-Firmen und Präsident Trump ein Dorn im Auge. Seit Trump uns mit hohen Zöllen droht, scheint die Kommission leider zu allem bereit zu sein. Anstatt stark zu verhandeln, fürchten wir, dass die EU einknickt und sich bereit erklärt, unseren Schutz zu opfern, um Trump und seine Tech-Bros zu besänftigen.

Es braucht jetzt ein starkes Signal von Politik und Gesellschaft, um der Kommission zu zeigen: Der DSA schützt unsere Demokratien! Der DSA ermöglicht Freiheit für Fakten! Der DSA ist ein Beispiel für gelungene EU-Politik. Die Grünen-Politikerin Alexandra Geese hat deshalb eine Petition gestartet, Digitalcourage, Markus Beckedahl, Shoshana Zuboff und Wikimedia Deutschland unterstützen sie als Erstunterzeichnerinnen. Gemeinsam fordern wir von der Europäischen Kommission:

Setzt den DSA durch, überprüft die Algorithmen – und stoppt die Desinformationen! Dafür braucht es Sie. Unterschreiben Sie die Petition von Alexandra Geese und kämpfen Sie mit uns für echte Meinungsfreiheit. Damit wir entscheiden, was wir sehen – nicht Zuckerberg, Musk und Trump.

Hier geht es zur Petition. Und weil wir das Thema so wichtig finden, haben wir dazu auch einen offenen Brief unterzeichnet, der von einem breiten internationalen Bündnis an Ursula von der Leyen gesendet wurde. Hier der Brief (Englische Originalversion):“

Als jemand, der sich intensiv mit dem Digital Services Act befasst hat, halte ich es für sehr unwahrscheinlich, dass kundige Leute wie die von Digitalcourage dieses Gesetz zur Unterdrückung nicht genehmer Meinungen und Informationen aus schierer Unkenntnis als Rettung für die Meinungsfreiheit und Schutz der Demokratie werten und verteidigen können. Nicht alles, wogegen Donald Trump, J.D. Vance und Elon Musk agitieren, ist allein schon deshalb gut.

Der Digital Services Act gefährdet die Demokratie

In Erwägungsgrund 84 des DSA steht, die großen digitalen Medienplattformen und Suchmaschinen sollten sich auch „auf die Informationen konzentrieren, die zwar nicht rechtswidrig sind, aber zu den in dieser Verordnung ermittelten systemischen Risiken beitragen.“

Es geht also ausdrücklich auch um die Unterdrückung von Inhalten, die gegen kein Gesetz verstoßen. Die Einhaltung eines „freiwilligen“ Verhaltenskodexes gegen Desinformation gilt laut DSA als Nachweis ausreichender Maßnahmen gegen die Verbreitung schädlicher Inhalte (Artikel 45). Der scheinfreiwillige Kodex wiederum verlangt, externe Faktenchecker anzuheuern, die auf „schädliche“ Inhalte hinweisen (Artikel 45 i.V.m. Verhaltenskodex Desinformation). Man beachte: es geht um schädliche Inhalte, nicht um illegale. Zu den schädlichen Inhalten nach Artikel 35, deren Verbreitung die Plattformen unterbinden müssen, zählen solche mit „möglichen nachteiligen Auswirkungen“ auf Grundrechte wie Menschenwürde und Nichtdiskriminierung, auf „die gesellschaftliche Debatte“, auf Wahlprozesse und auf die „öffentliche Sicherheit“.

Es genügt, nachteilige Auswirkungen auf die gesellschaftliche Debatte, die lediglich möglich sind, zu behaupten, um die Plattformen und Suchmaschinen unter Androhung hoher Strafen zu drängen, Inhalte an der Verbreitung zu hindern. Hierunter lässt sich sehr viel an legitimer Kritik an den Regierenden oder am System fassen – und das geschieht auch. Kritik kann ja zur „Spaltung“ der Gesellschaft führen und Spaltung gilt als etwas ganz Gefährliches. Sie gefährdet angeblich nicht nur die Demokratie, sondern auch die nationale Sicherheit. Denn sie hilft Russland im Propagandakrieg gegen den Westen. Der EU-Kommission als Instanz, die den DSA durchsetzt, steht es somit frei, jegliche Äußerungen unterdrücken zu lassen, die ihr nicht gefallen.

Sie tut das sehr bewusst nicht selbst, um dem Zensurvorwurf zu entgehen. Sie und die Mitgliedsregierungen haben mit sehr viel Geld und Mühe einen ganzen Komplex von abhängigen pseudo-privaten Organisationen aufgebaut und finanziert, Faktenschecker, Meldestellen, vertrauenswürdige Hinweisgeber. Diese bekommen in DSA und Verhaltenskodex sehr weitgehende Mitwirkungsrechte: Und die Plattformen und Suchmaschinen werden verpflichtet, sich ihrer Mithilfe zu bedienen.

Die Maßnahmen, die der DSA den Plattformen und Suchmaschinen nahelegt, wenn nicht gar befiehlt, um schädliche Inhalte an der Verbreitung zu hindern, haben es in sich: Löschen, Sperren, Shadow Banning (eingeschränkte Sichtbarkeit), organisierte Werbeboykotte.

Der in Artikel 35 angeführte Schutz von Wahlprozessen durch Inhaltemoderation kann schnell in Manipulation von Wahlen zugunsten der Regierenden und der EU ausarten. Das ist der Fall, wenn vorrangig Wahlaussagen von Oppositionsparteien oder Aussagen von deren Unterstützern als Desinformation gekennzeichnet und deshalb gelöscht oder ausgebremst werden.
Auch das Risiko, dass Inhalte „nachteilige Auswirkungen in Bezug auf den Schutz der öffentlichen Gesundheit“ haben können, müssen die Plattformen und Suchmaschinenbetreiber prüfen und mindern. Im Fall von Corona hat man gesehen, wie manches, was amtlich längere Zeit als unwahr und gefährlich galt und getilgt wurde, sich später als richtig herausgestellt hat, während amtliche Wahrheiten sich als schädlich oder gar gefährlich herausstellten. Man denke an die nebenwirkungsfreie Impfung des Gesundheitsministers Karl Lauterbach oder an die Behauptungen, Schulkinder seien wichtige Pandemietreiber und Schulschließungen und Maskenpflicht für Kinder seien deshalb nötig.

Digitalcourage und andere Unterzeichner

Ein erstes unangenehmes Aufeinandertreffen mit Digitalcourage hatte ich 2021. Vorstandsmitglied padeluun (Pseudonym) bezeichnete mich als Vertreter der Theorie einer jüdischen Weltverschwörung. Mein Vergehen: ich hatte auf Zusammenhänge zwischen der ID-2020-Initiative der Rockefeller- und Gates-Stiftungen und der deutschen Bürgernummer hingewiesen. Digitalcourage gab sich ungewöhnlich dünnhäutig, wenn man fragte, warum sie die Einführung der Bürgernummer nicht kommentieren wollten.

Noch ein wenig misstrauischer wurde ich, als Digitalcourage 2022 seinen Negativpreis für Angriffe auf unsere Privatsphäre, den BigBrotherAward, nicht denen verlieh, die sich 3G, 2G und 2G+ ausgedacht und es durchgesetzt hatten, sondern die Preisverleihung unter 2G+-Bedingungen stattfinden ließ. Nur wer seinen vorbildlichen Impfstatus offenlegte und zusätzlich noch einen aktuellen PCR vorzeigte, durfte hinein zu den Privatsphäre-Schützern.

Doch dann griffen die Mitglieder von Digitalcourage durch. Auf einer Mitgliederversammlung im Januar 2024 konnte padeluun zunächst noch mit diktatorischen Mitteln seine Abwahl aus dem Vorstand verhindern.  Doch dann schied er auf einer weiteren Mitgliederversammlung im Juni 2024 aus dem Vorstand aus und wurde künstlerischer Leiter von Digitalcourage. Im Mai 2024 startete Digitalcourage eine Kampagne mit Unterschriftensammlung gegen Digital- und Smartphone-Zwang, ein Thema, das mir sehr am Herzen liegt, ebenso wie es den Mächtigen mit umgekehrtem Vorzeichen sehr wichtig ist.

Doch ungewöhnlicherweise hat man von der Unterschriftensammlung für ein Recht auf analoges Leben seit über 16 Monaten nichts mehr gehört. Hat sich Digitalcourage hier vielleicht lediglich an die Spitze einer entstehenden Bewegung gesetzt, damit es kein anderer, weniger Systemtreuer tut? Dass Digitalcourage jetzt eine grüne Kampagne für den DSA als Erstunterzeichner unterstützt, trägt dazu bei, dass sich diese Besorgnis in mir verstärkt.

Mit dabei sind auch Markus Beckedahl, Gründer von netzpolitik.org und die Kampagnen-Organisation Campact. Sie haben erst im Mai gemeinsam die Lobby-Organisation Zentrum für Digitalrechte und Demokratie gegründet, die den Brief mit unterschrieben hat. Sie will „die demokratische Kontrolle über digitale Räume zurückgewinnen“ helfen. Über Geldgeber und Gremienmitglieder der Gesellschaft wurde noch nichts bekannt gegeben.

Beckedahl durfte schon im Januar in ZDF-heute und den Tagesthemen die Abkehr von Meta-Chef Mark Zuckerbergs von der Inhaltemoderation mithilfe von sogenannten Faktencheckern in den USA einordnen und kritisieren. Campact hat seine wahren Farben schon 2021 gezeigt. Damals verlor die Organisation nach eigenen Angaben Tausende Spender und Unterstützer, weil sie „Haltung zeigte“. Diese Haltung hatte darin bestanden, sich aggressiv an der Kampagne zur Herabsetzung und Ausgrenzung von Kritikern der überzogenen Corona-Maßnahmen zu beteiligen.

Wikimedia Deutschland macht auch mit. Wikimedia hat mit der schwedischen Regierung 2023 ein Projekt zur Verbesserung der Verbreitung von Wissen über den Klimawandel via Wikipedia vereinbart. Es beinhaltet, dass von Regierungen ausgesuchte Experten Wikipedia Vorschläge zur „Verbesserung“ der Beiträge mit Bezug zum Klimawandel machen. Es gibt weitere Vereinbarungen von Wikimedia mit Regierungen und internationalen Organisationen wie der WHO.

Mitunterzeichner Global Forum for Media Development (GFMD) ist ein Netzwerk von Organisationen, die Journalismus unterstützen, meistens finanziell. GFMD wird vor allem finanziert vom National Endowment for Democracy (NED) der USA und den Open Society Foundations des politaktivistischen US-Milliardärs George Soros. Über das NED schrieb die New York Times, es sei gegründet worden, „um das offen zu tun, was die CIA jahrzehntelang verdeckt getan hat“.

Mit dabei sind auch das Center for Countering Digital Hate, Transparency International und – bemerkenswerterweise – die European Federation of Journalists (EFJ) und das European Centre for Press and Media Freedom.

Die Chefin der Anti-Korruptionsorganisation Transparency International, Delia Ferreira Rubio, hat im Juli 2022 als Mitautorin einen Beitrag zur Durchsetzung von Sanktionen gegen Russland auf der Netzseite des Weltwirtschaftsforums veröffentlicht. Darin wird der Krieg Russlands gegen die Ukraine mit der in Russland grassierenden Korruption erklärt. Die gleichermaßen grassierende Korruption in der Ukraine dagegen wird als Grund zur Untersützung der Ukraine gedeutet, damit das noch sehr zarte Pflänzchen der Korruptionsbekämpfung gedeihen kann.

Das European Centre for Press and Media Freedom, wurde mit dem Geld eben jener EU-Kommission gegründet, an die sich der offene Brief richtet, den es unterschrieben hat, sowie mit Geld des Auswärtigen Amtes. Es ist eine der vielen Organisationen die mithilfe der EU-Kommission gegründet wurden, um die EU-Kommission in die Richtung zu drängen, in die sie laufen will.

CCDH ist eine personell eng mit der britischen Labour-Regierung verflochtene Organisation mit Sitz in London und Ableger in Washington. Sie setzt sich für strenge Regulierung von Medienplattformen ein und schreibt sich maßgeblichen Einfluss auf die Verabschiedung der berüchtigten Online Safety Bill in Großbritannien zu. Die Organisation hat sich laut internen Mails vorgenommen, die Platform X zu zerstören. Der Kommunikationschef von CCDH, Jonathan Freed arbeitete vorher unter anderem als Kommunikationschef des US-Geheimdiensts NSA. Die Geldgeber sind intransparent. Laut Lobbyfact gehört die Gavi-Impfallianz der Gates-Stiftung dazu. Dazu passt, dass CCDH den Kampf gegen „Hass“ keinesfalls auf das beschränkt, was man gemeinhin darunter versteht. Auch „tödliche Desinformation“ zu Covid und Impfungen gehört für CCDH dazu, etwa, dass das Virus aus einem Labor stammt, dass Masken die breite Bevölkerung nicht schützen, oder dass Impfungen bei vielen Menschen schwere Nebenwirkungen hervorgerufen haben.

Fazit

Man darf die Liste der Unterzeichner des offenen Briefs an die EU-Kommission als wertvollen Hinweis nutzen, bei welchen Organisationen mit wohlklingenden Namen und erklärten Absichten man misstrauisch sein sollte, weil sie entweder hochgradig naiv sind oder ein sehr fragwürdiges Verständnis von Demokratie und Meinungsfreiheit haben. Auch wenn viele davon in Deutschland nicht bekannt sind, will ich sie hier dokumentieren. Denn der offene Brief wird womöglich irgendwann schwer zu finden sein:

• Enforce – Irish Council for Civil Liberties
• European Digital Rights (EDRi)
• LobbyControl
• Open Markets Institute
• Defend Democracy
• Digitalcourage
• Balanced Economy Project
• Rebalance Now
• The Good Lobby
• Xnet, Institute for Democratic Digitalisation
• ‘NEVER AGAIN’ Association
• Foxglove
• European Fem Institute
• New School of the Anthropocene
• Panoptykon Foundation
• Bits of Freedom
• World Economy, Ecology & Development
• AlgorithmWatch
• Lie Detectors
• Asociația pentru Tehnologie și Internet (ApTI)
• Society of Journalists (Warsaw)
• Media Diversity Institute
• Wikimedia Germany e.V.
• WeMove Europe
• Zentrum für Digitalrechte und Demokratie
• Avaaz Foundation
• Yapay Gündem
• VoxPublic
• Civil Liberties Union for Europe (Liberties)
• Politiscope
• Homo Digitalis
• Association of European Journalists in Belgium (AEJ Belgium)
• Community Media Forum Europe
• IDPAD Hackney / Ligali
• Waag Futurelab
• Transparency International EU
• D64 – Center for Digital Progress
• European Federation of Journalists (EFJ)
• Future of Tech Institute
• SOMO
• European Centre for Press and Media Freedom (ECPMF)
• Global Forum for Media Development
• The Center for Countering Digital Hate (CCDH)
• Federación de Consumidores y Usuarios CECU
• People vs Big Tech
• European Federation of Public Service Unions

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